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Wie fühlt es sich an, nach 16 Monaten nach Hause zu kommen? Freude, Glück und die Gewissheit zu spüren, wo Heimat ist. Auch graue und nasse Tage im November und Dezember, dazu eine Ladung an Viren, die uns ebenso zugesetzt haben, können diese intensive Zeit nicht trüben. Unsere Familie und Freunde zu drücken und zu sehen mit einem Gepäck an großartigen Erlebnissen ist unbeschreiblich und wertvoll. Fast jeden Tag haben wir etwas zu tun und alle Kontakte die sich normalerweise auf 1 Jahr verteilen sind nun auf drei Monate komprimiert. Dazu kommt für uns ganz selbstverständlich auch politisch Stellung zu beziehen und sich in die Menge „Für Demokratie“ und für “Ein buntes Deutschland“ einzureihen. Ganz nach dem Motto „Wehret den Anfängen“. Hier hoffen und wünschen wir uns innig, dass die Geschichte endlich mal nachhaltig lehrt.

Nun geht es zurück in ein Leben der Overlander. Wir ziehen weiter in den Süden und nach Reparaturen an der Emma mit unseren mitgebrachten Ersatzteilen. Die Wasserinstallation benötigt neue Fittings, der Wasserfilter und einige Leitungen müssen ausgetauscht werden und wie schon erwähnt, können nun die Pushlocks der Schubladen  durch stabilere Metallgehäuse ausgetauscht werden. Das geht ganz gut voran.

Im Rückblick waren die 58.000 km in 16 Monaten durch Nordamerika den Jahreszeiten angepasst. Denn Alaska lässt sich nun mal für uns nur im Sommer bereisen, auch wenn wir Schneeketten mit an Bord haben. 😉Alaska und die nördlichsten Ziele Deadhorse/Prudhoe Bay und Tuktoyaktuk in Kanadas Northern Territorien haben wir erreicht und es hat sich definitiv gelohnt. Auch viele andere traumhafte Nationalparks und State Parks haben uns beseelt und möchten wir nicht missen.  An die 80 Bären, über 20 Elche (wir haben eine Strichliste geführt), Herden von Bisons, Moschusochsen und Karibus, Wölfen und Coyoten, sowie viele wertvolle Freundschaften welche wir geknüpft haben…alle Begegnungen bleiben uns in guter Erinnerung. Mit all diesem Reichtum der Erlebnisse sind wir gesättigt heimgekehrt und haben die bisherigen Eindrücke durch Berichte verarbeitet. Und nun sind wir schon wieder zurück!

Da steht sie nun in Phoenix, die Emma, und wartet auf neue Abenteuer mit uns. Wird sie anspringen oder beleidigt wie eine Katze uns die kalte Schulter zeigen? Eine Drehung des Zündschlüssels und der satte Motor unserer Emma klingt in den Ohren. Das freut uns natürlich riesig. Es scheint, dass sie uns erwartet hat. Die nächsten Aufgaben sind erfüllt von Einkäufen, Wasser, Gas und Diesel tanken und ein passendes Plätzchen für die Reparaturen finden. Hierfür entscheiden wir uns für das BLM Land in den Saddle Mountains. Die Arbeiten werden mit Wanderungen zu Petroglyphen und in die Umgebung abwechslungsreich gestaltet. Mit 20 Grad und Sonnenschein fällt es uns leicht in Arizona wieder anzukommen.

Wir entscheiden uns über den Joshua Tree Nationalpark in Kalifornien Richtung Süden zu fahren. Dieser Park hat seinen Namen von den hier typischen Joshua Bäumen, die hier in der Mojave Wüste und der tiefer gelegenen Colorado-Wüste zahlreich vorhanden sind. Sie sind wirklich sehr ungewöhnlich und gleichen mit ihren emporgereckten Ästen und Blätterkronen vielen Wuschelköpfen. Die Mormonen erkannten in den Bäumen eine Ähnlichkeit mit dem Propheten Joshua, der mit ausgestreckten Armen den Weg ins gelobte Land wies. Daher erklärt sich der Name „Joshua Tree“. Es ist eine Yucca breviolia, die mit wenig Niederschläge zurechtkommt, da sie ihre Wurzeln in einem dichten, flachen Netzwerk ausbreiten um Oberflächenfeuchtigkeit zu sammeln. Wir haben jedenfalls das Glück die sagenhafte Morgenstimmung vom Sonnenaufgang zu erleben, welcher die Landschaft durch den herannahenden Regen in ein unwirklich gefärbtes Licht taucht. Rot, rosa, lila und dazu das Gezwitscher der Vögel und Geraschel der Antilopen-Zieselhörnchen. Eine Stimmung die wir aufsaugen und versuchen festzuhalten, nicht nur mit der Kamera. In verschiedenen Wanderungen erleben wir die bizarren Felsformationen und kargen Gebirgsketten und wundern uns immer wieder, dass hier in dieser kargen Landschaft Goldsucher auch vor 100 Jahren unterwegs waren. Wir finden hier auf 1300 m Höhe zerfallene Minen und Gerätschaften vor, die in der Landschaft ihr Dasein fristen, verrosten und Geschichten ahnen lassen. Auch gut versteckte Hütten der Goldsucher erkunden wir in der Felsenlandschaft. Primitive Lebensräume die wie gestern verlassen wirken. Deutlich besser gefällt uns die vielfältige Tierwelt, welche wir endlich wieder beobachten können. Eine zahlreiche Vogelwelt, Eidechsen und Leguane, Kalifornische Ziesel und Antilopen-Ziesel…Des Nachts können wir die Kojoten heulen hören und uns am Morgen an den herumhoppelnden, futtersuchenden Wüstenhasen erfreuen. Nur die Wüstenschildkröten, die schon tausende von Jahren in der Mojave Wüste leben, lassen sich nicht blicken. Sie zählen heute zu den gefährdeten Arten und darum werden wir darauf hingewiesen, vor der Abfahrt unter die Räder zu schauen, damit wir keines überfahren.

Joshua Trees
Farbenprächtiger Sonnenaufgang
Die „Boulder“ Hütte eines Goldgräbers
Der Cholla Garten (Kuschelbär-Kakteen)

Weiter zieht es uns zum größten See Kaliforniens, den Salton Sea. Doch was ist von diesem einstigen Paradies noch übriggeblieben? 1905 entstand er rein zufällig durch einen Dammbruch des Colorado Rivers. Durch den Verbrauch des Wassers an die umliegenden Gemüse- und Obstplantagen sowie einem fehlenden Zufluss steigt der Salzgehalt des Wassers und der Geruch beweist uns eine miserable Wasserqualität. Uns reicht hier nur ein kurzer Stopp und wir steuern auf den Salvation Mountain zu. Dieser künstliche kleine Berg wurde von einem Kriegsveteranen angelegt. Bibelzitate kann man in einer kunterbunt gemalten Landschaft erkennen und gibt dieser öden und trockenen Gegend mit den unzähligen vermalten Farbdosen einen bunten Tupfer. Vielleicht ist das auch eine Art Recycling, jedenfalls besser wie in der Landschaft verstreut.

Einen bis zu 90 m hohen und 10 km breiten Sanddünenstreifen finden wir bei den Algodones Dunes vor. Wir bekommen den Geschmack der Wüste zurück und beobachten die Leidenschaft der Amerikaner mit ihren ATVs (All Terrain Vehicles). Sie sind zahlreich zu hören, zu sehen und zu riechen. Barfüßig erklimmen wir die höchste Sanddüne der Umgebung, tunlichst darauf bedacht nicht unter die Räder zu kommen und lassen den Tag beim Sonnenuntergang über der Dünenlandschaft ausklingen.

Fragt lieber nicht, wie lange die ATV -Leidenschaft ausgeübt wird. Bis in die frühen Morgenstunden werden die Bahnen über die Dünen gezogen und die aufheulenden Motoren rauben uns den Schlaf. Etwas gerädert ziehen wir am nächsten Morgen weiter.

Algadones Dunes
ATVs Sundowner 😉

Die Baja California ruft und somit naht der Abschied von der USA auf unserer Panamericana-Reise. Diesen verbringen wir intensiv im Anza-Borrego State Park. Für den großen „Bloom“, die üppige Wüstenblüte sind wir noch zu früh dran, trotzdem entdecken wir schon überall unzählige Knospen an Kakteen sowie an unbekannten Büschen und finden jede Menge Blüten die wir kennenlernen. Ins besonders hat uns die Ocotillo-Pflanze beeindruckt. Dieser laubabwerfende Strauch mit bis zu 4 cm langen Dornen erreicht eine Wuchshöhe von bis zu 9 m. Durch den kürzlichen Regen wachsen schnell kleine Blätter an den Stämmen ringsum. Die Blüten erscheinen im Frühling und Sommer und wir haben das Glück diese zu erleben. In unserer Fantasie lassen wir der Vorstellung dieser Wüstenblüte ringsum freien Lauf. Wir wissen ja nun, dass wir auch mit Lücken reisen können 😉

Der Anza-Borrego State Park in der Colorado Wüste im Süden Kaliforniens ist auch mit vielen Wanderwegen ausgestattet wie zum Beispiel dem Palm Canyon Trail. Auf diesem Trail gelangen wir in eine Oase mit natürlichen Quellen und den einzigen einheimischen Palmen des Staates, der Kalifornischen Washingtonia Palme. Auf unserer Wanderung begleiten uns viele kleine, flinke Kolibris und die Vogelwelt zeigt sich in seiner Vielfalt. Doch auch Dickhornschafe, Berglöwen, Wüstenfüchse und viel mehr Tierarten fühlen sich in dieser Wüste wohl. Doch dafür sind zu diesem Zeitpunkt zu viele Menschen unterwegs um sie zu entdecken.

Die Kakteen blühen in der Borrego wüste
Die Ocotillo Blüte
Bis zu 9m hoch können die Ocotillo-Büsche wachsen

In den Galleta Springs übernachten wir inmitten der Metallskulpturen, die hier mit über 130 Kunstwerken in der Wüste verteilt sind. Der Künstler und Bildhauer Ricardo Breceda hat sie aus Metallschrott geschaffen und seine beeindruckenden Werke sind auf 10 Quadratkilometer verteilt zu bestaunen. Unglaublich, dass diese Ausstellung mit rustikalem Charme nur mit einem Weihnachtsgeschenk für seine 6-jährige Tochter seinen Anfang nahm. Ricardo war ursprünglich in Durango/Mexiko Cowboystiefelverkäufer und Bauarbeiter. Doch ein Bauunfall führte dazu, dass er seinen letzteren Job aufgab. Er erfüllte seiner Tochter den Wunsch an Weihnachten von einem Tyrannosaurus Rex nachdem sie 2001 Jurassic Park III gesehen hatte. Einige Wochen später stand das 6m hohe und fast 14m lange Werk aus Metall im Garten. Er fand Freude an seinem neuen Hobby, fertigte noch mehr an und alles nahm seinen Lauf. Auch Interessierte wollten seine Werke kaufen und der Menschenfreund Dennis Avery bot ihm 2007 an, weitere Statuen seinem Wunsch nach den einstigen Kreaturen dieser Wüste anzufertigen. Sie wurden auf seinem Grundstück für jedermann ausgestellt. „Dem zufälligen Künstler“ oder „Picasso aus Stahl“ ist es zu verdanken, dass wieder ein wirtschaftlicher Wohlstand in Borrego Springs erreicht wurde.

Wir wandern an prähistorischen Elefanten, Vögeln, riesigen Landschildkröten und Dinosauriern vorbei  und sind von den Details beeindruckt. Die Seeschlangenskulptur ist das berühmteste und größte seiner Werke. Sie schlängelt sich sogar unter der Straße hindurch.  Doch auch ein Jeep in voller Fahrt durchs Outback gefällt uns und lässt unsere Kameras klicken.

Mit einem hervorragenden Sonnenuntergang genießen wir ein saftiges Steak und verabschieden uns damit nun von den USA. Ein Land mit vielen Möglichkeiten wild zu stehen und zu campen (Boondocking), ein Land mit wunderschönen Nationalparks und wie wir es erlebt haben, mit gastfreundlichen und interessierten Menschen. Doch nun fühlen wir auch die Zeit der Weiterreise zum südlichsten Punkt unseres Panamericana Traums.

Über die 1300 m hohen Berge fahren wir an „The Wall“ entlang in Richtung mexikanischer Grenze nach Tecate. Dieser meterhohe Zaun in der Sonora-Wüste zwischen den USA und Mexiko ist nicht nur für die Menschen ein unüberwindbares Hindernis. Es hat auch auf die Tierwelt dramatische Auswirkungen. Es zerschneidet regelrecht die Landschaft und stimmt uns nachdenklich. Hatten wir nicht auch in unserer deutschen Geschichte etwas Ähnliches?

Die Grenzformalitäten klappen reibungslos. Die mexikanischen Grenzbeamten sind sehr freundlich und wir erhalten nach Bezahlung der Gebühr von umgerechnet 78 € für uns beide einen Stempel für jeweils sechs Monate Aufenthalt in Mexiko. Kaum auf den Straßen Tecates fühlen wir uns wie in einer anderen Welt. Mexiko hat uns wieder mit all seinen Facetten. Jetzt heißt es spanische Vokabeln herauskramen, Bordos oder Topes beachten (Temposchwellen) und großzügig über den allgegenwärtigen Plastikmüll hinwegschauen. Wir entscheiden uns für den Divide 4×4 durch das Landesinnere in den Süden zu fahren. Hier finden wir eine abgelegene kaum befahrene unbefestigte Strecke mit dritter Dimension vor.

Willkommen zurück auf der Baja California

Einsam, staubig und holprig geht es nun 120 km unserem Ziel entgegen, einer Käse Farm. Der seltene Regen hat hier ganze Arbeit geleistet. Die Fahrbahn wird  stellenweise von tiefen, aufgerissenen Rillen und Spalten durchzogen und die Kanten weggespült. Wir kommen also nur langsam vorwärts und die Emma schaukelt es ordentlich herum. Doch die neuen Pushlocks haben alle gehalten, das hat sich also gelohnt.

90 Kühe produzieren hier auf der La Cava de Marcelo die Milch für einen Keller voller Käse. Dieser Familienbetrieb mit Schweizer Wurzeln besteht seit 1878. Wir bekommen eine Führung durch den Hof und in die Käserei und dürfen eine Kostprobe von Butter über Frischkäse bis zu 2 Jahre altem Käse mit unterschiedlichsten Gewürzen testen. Im kühlen feuchten Keller lagern bis zu 5 Jahre alte Käselaibe in unterschiedlichsten Größen. Mit Wein und Bier aus der Gegend lassen wir es uns schmecken. Die Nacht dürfen wir auf dem sehr gepflegten Anwesen verbringen und werden von den Spatzen und Kühen bei unserer Joggingeinheit neugierig beäugt.

Auf der Mex 1 geht es Richtung Süden der Baja California. Die Fahrbahn ist ziemlich schmal und ohne Seitenstreifen, fast wie ein Damm angelegt. Bei entgegenkommenden LKWs muss Andy das Lenkrad gut im Griff haben, damit wir nicht die Seitenkante abrutschen. Dabei könnten wir tatsächlich ins Kippen kommen. Das möchten wir uns lieber nicht vorstellen. Doch der Gegenverkehr hält sich überschaubar gering und die Überholmanöver der hinter uns liegenden Fahrzeuge hat Andy gut im Blick. Den Norden der Baja erleben wir überraschend  grün, die Wüste blüht und wir sind von der Vielfalt begeistert. Auch ein üppiges, wildes kalifornisches Mohnfeld finden wir auf dieser Strecke vor. Ein wunderbares Fotomotiv.

Wie ein Magnet ziehen sie uns an. Wir befinden uns im Auge des Kaninchens, so wird die Lagune Ojo de Liebre übersetzt. In dieser Bucht waren wir schon einmal und wieder überwältigt uns die Energie der Begegnungen mit diesen riesigen Meeressäugern. Über 1000 Grauwale „Ballenas Grises“ fühlen sich mit ihren Kälbern in der Lagune geschützt. Hier ist ein Ort der Zeugung und Geburt der Nachfahren.  Wir sind dieses Mal mit begeisterten Mexikanerinnen an Bord. Wir können es kaum fassen, wieviel Grauwale nach 15 Minuten Fahrt in die Lagune um, unter, neben uns auftauchen und regelrecht mit unserem Boot spielen. Sie kommen ganz von selbst auf uns zu, denn der Kapitän bleibt im Leerlauf des Motors einfach auf der Stelle. Doch wir fühlen uns sicher, keine dieser 35-40 Tonnen (3 x die Emma) und 15 Meter großen Riesen würde uns zum Kentern bringen. Und das wäre eine Leichtigkeit für sie. Sie sind freundliche wohlwollende und gutmütige Meeressäuger. Bis zu 70 Jahre alt können sie werden und sind ab 10 Jahre geschlechtsreif. Die Weibchen gebären alle 2 Jahre ein Kalb das ziemlich ungewöhnlich erst mit der Schwanzflosse auf die Welt kommt. Auf dieser Tour dürfen wir eine intensive Begegnung mit den Kälbern erleben. Die Kleinen erscheinen sehr neugierig am Rand des Bootes, sie tauchen auf und es scheint, dass sie die Berührungen genießen. Die Freude und ihre Energie überwältigen uns, ja auch die Mexikanerinnen, die nach den Bebes permanent rufen und eine von ihnen sogar ein Walkalb überschwänglich küsst. Dabei wird sie gerade noch rechtzeitig von ihrem Mann zurückgezogen, bevor sie mit dem Kleinen im Griff abtaucht. Das war knapp, doch sie lacht glücklich und zeigt strahlend ihre klatschnassen Klamotten.

Wir wissen nicht genau, wieviel Grauwale sich um uns befinden, doch eine unserer Theorien fühlen wir weiterhin bestätigt. Sie haben Frieden mit den Menschen geschlossen, ihnen verziehen, dass sie fast von uns ausgerottet wurden und mit jeder positiven Begegnung haben sie Sympathisanten gewonnen. Was für kluge Tiere! Würde die Menschheit so leben, hätten wir definitiv eine friedlichere Welt. Wir können von ihnen lernen.

Mit diesem Highlight verabschieden wir uns bei euch und melden uns beim nächsten Mal mit der Erfahrung einer Premiere, denn wir bekommen den ersten Besuch aus Deutschland. Die Emmabesatzung bekommt Zuwachs😉

„Adios, hasta luego“, bis zum nächsten Mal, passt auf euch auf und bleibt optimistisch und zuversichtlich.

Ojo de Liebre
Ganz nah dran!