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In einer Dokumentation sind wir vor vielen Jahren auf den Gran Paradiso aufmerksam geworden. Diesen Nationalpark wollten wir schon lange Mal besuchen und dieser liegt im Aosta Tal.

Es ist eine autonome und dazu die kleinste Region Italiens. Gleich zu Beginn auf der Fahrt neben dem sprudelnden mit Gletscherwasser gefüllten „Fiume Dora Baltea“ ahnen wir ein kleines Paradies in den Alpen. Wir freuen uns auf das Aostatal, welches an Frankreich und die Schweiz grenzt und im Nordwesten Italiens liegt.

Die schneebedeckten Gipfel des Matterhorns, Mont Blanc, Monte Rosa und Gran Paradiso in den westlichen Alpen sind die markanten Wahrzeichen dieses Tals, und präsentieren sich uns immer wieder auf der engen Serpentinenstrecke. Immer weiter schlängelt sich die Emma höher und höher, bis wir in einer Sackgasse im Tal Camping Pont Breuil auf 2000m nähe Valsavarenche landen. Der Campingplatz hat noch geschlossen und ein Rancher erlaubt uns vor dem Lokal auf dem Parkplatz stehen zu bleiben.

Von hier aus geht es nur noch zu Fuß weiter.

Nun befinden wir uns im ältesten Nationalpark Italiens, dem Gran Paradiso. Diese Region des Aostatals und Piemonts hat einen großen Teil zur Rettung von Alpensteinböcken beigetragen. Wir wissen noch nicht, dass in diesem Gebiet heute wieder etwa 4000 Steinböcke leben.

Die Gesamtfläche dieses Nationalparks umfasst 70.000 Hektar und reicht von der nur 800 m hoch gelegenen Talsohle bis hinauf zum Gran Paradiso mit seinen 4.061 m Höhe.

Doch in diesem Jahr ist die Wetterlage für Wanderungen noch sehr ungünstig, denn jetzt im Juni liegt immer noch sehr viel Schnee auf den Gipfeln und Wegen in dieser Höhe.

Wir erfahren auch, dass die Geschichte des Nationalparks eng mit dem Schutz der hier lebenden Steinböcke verbunden ist. 1856 wurde das Gebiet rund um den Gran Paradiso vom damaligem König Viktor Emanuel II. zum königlichen Jagdrevier erklärt. Er bewahrte dadurch die Tiere vor der Ausrottung, durch Wachpersonal sowie durch Einrichtung eines Wegesystems zum Schutz der Fauna. Diese werden heute als Wanderrouten genutzt, und genau diese wollen wir so gut es geht erwandern.

Von unserem Übernachtungsplatz aus hatten wir einen hervorragenden Blick auf das Tal und die satte Wiese vor dem stark fließenden Fiume Dora Baltea…und plötzlich entdecken wir eine riesige Herde von Steinböcken, direkt vor uns.

Sofort verlassen wir die wohlig warme Emma um mit unseren Kameras ausgerüstet diese prächtigen Tiere nur ein paar Meter von uns entfernt zu beobachten. Sie lassen sich überhaupt nicht stören und fressen bedächtig und intensiv das saftige Grün dieser Wiese.

Der Steinbock ist auch auf dem Nationalparksymbol zu erkennen und nun wissen wir auch warum.

Die männlichen Tiere sind mit ihren langen gebogenen Hörnern erkennbar und sie leben in kleinen Gruppen, während die weiblichen Tiere mit kürzeren Hörnern beim Nachwuchs bleiben.

Wir haben noch nie so nah so viele Steinböcke gesehen. Diese geschickten Kletterer in den Alpen sind eigentlich scheue Tiere doch nun treibt sie der Hunger hier her, genau vor unsere Linse. Mindestens 100 Steinböcke zählen wir friedlich grasend direkt vor unserem Übernachtungsplatz. Welch ein glücklicher Augenblick! 😊

Die Steinböcke konnten hier über lange Jahrzehnte die Erfahrung sammeln, dass der Mensch nur als Fotograf durch die Linse schießt und mit dem großen Hunger nach dem langen Winter ist die Gier nach sattem Grün einfach größer als die Angst vor den Zweibeinern.  

Zudem besitzen sie etwas Beeindruckendes auf ihren Köpfen. Die Hörner können bis zu 2,5 kg schwer und bis zu einem Meter lang werden. Und das gekoppelt mit einem Gewicht von 110 kg kann sich ein männlicher Steinbock doch recht sicher fühlen. So ein Alpensteinbock kann 10 bis 20 Jahre alt werden, wenn er eine gesundes Lebensumfeld vorfindet.

Wir haben auch die Gelegenheit ihre Kämpfe zu beobachten und das Aufeinanderprallen der Gehörne krachen lautstark durch das Tal. Beeindruckend, wie hoch sie dabei aufeinanderzustoßen, sie können aus dem Stand mehrere Meter hoch und weit springen. Normalerweise meiden Steinböcke die Täler, und halten sich in kargen Steinhängen auf. Nur im Frühling, wenn sie sich auf die Suche nach frisch sprießendem Gras begeben, sind sie auch in tieferen Lagen anzutreffen. Das ist definitiv unser Glück 😊

Durch intensive Wiedereinbürgerungsversuche seit einigen Jahrzehnten konnte der stark dezimierte Bestand dieser beeindruckenden Alpentiere gerettet werden. Wilderei und Krankheiten haben den Bestand besorgniserregend dezimiert.

Auch Gämsen sind vertreten, doch sie sind weitaus scheuer und schwieriger zu entdecken und zu beobachten. Auf unseren Tagestouren haben wir trotzdem wenige Gämsen erspähen können.

Manche Tiere kann man erst hören bevor man sie mit viel Geduld erblickt. Die putzigen Murmeltiere graben lange Tunnel, um vor Gefahren zu flüchten und sich auf den Winterschlaf vorzubereiten. Oder sich auch vor neugierigen Wanderern zu verstecken😉 Wir müssen sehr viel Geduld aufbringen, ein Murmeltier sichtbar vor die Linse zu bekommen. Doch es lohnt sich. Sie sehen aus wie pummelige Kuscheltiere und genießen die Juni Sonne auf den herumliegenden Flusskiesel.

Sogar der 1912 in diesem Gebiet ausgestorbene Bartgeier und der Luchs wurden in jüngster Zeit wieder im Park gesehen. Das spricht für sich!

Unsere Wandertouren gehen meist bis an die Schneegrenze. Der Weg ist nicht mehr zu erkennen und wir sacken tief in die Schneedecke ein, so dass wir auf unserer Tour umkehren müssen. Auch die empfohlene Tour zum Refugio Vittorio Emanuel II brechen wir wegen anhaltendem Regen und aufziehendem Gewitter ab.

Das Wetter hat sich nicht von seiner besten Seite gezeigt und wir beschließen, dieses Tal zu verlassen und in einem anderen Jahr die versäumten Touren nachzuholen.

Die Alpen im Aosta Tal

Im Juni 2021 zieht es uns wieder in die beeindruckende Alpenwelt. Dieses Mal möchten wir ganz nach oben. In Courmayeur auf 1224m Höhe können wir auf dem riesigen Skiparkplatz der Wintersportler fast alleine stehen und übernachten. Durch Corona sind die Besucherzahlen deutlich reduziert und wir genießen diese Leere. Wir gönnen uns den Luxus mit der Gondel Skywalk bei strahlend blauem Himmel auf den höchsten Punkt zu fahren, den Punta Helbronner auf 3466m Höhe. Von hier aus hat man einen grandiosen Blick auf die Alpenriesen Monte Bianco (Mont Blanc) mit 4810m, den Dente del Gigante (der Zahnberg😉) 4013m, Aiguilles Marbrees 3535 m, Tour Ronde 3792m sowie über das Aostatal und das Piemont. Von hier oben in eisiger Höhe starten die Hochgebirgstouren. Dafür sind wir nicht ausgerüstet, doch die Bergwelt bei strahlendem Sonnenschein zu bestaunen ist auch ein besonderes Erlebnis. Der Wind ist zwar eisig, doch die Aussicht ein Genuss.

Ab der Mittelstation dem Pavillon du Mont Frety auf 2173 m entscheiden wir weiter hinab zu wandern. Dort liegt deutlich weniger Schnee, die Wege sind zwar teilweise matschig, doch einigermaßen gut begehbar. Hier oben genießen wir unser Mittagsvesper mit Blick auf Berge Schnee und… Murmeltiere. Auch diese possierlichen Tiere tanken die Sonnenstrahlen auf. Anschließend geht es an den Abstieg mit knapp 1000 Höhenmetern.

Beständiges abwärts gehen lässt uns Knie und Füße deutlich spüren, doch dies nehmen wir gerne in Kauf um uns in den Alpen bewegen zu können und der Natur und Tierwelt nahe zu sein.

Wir kommen glücklich bei unserer Emma an und fahren am selben Tag erfüllt von den Eindrücken der hohen Berge wieder in den Gran Paradiso zum Camping Pont Breuil. Dieses Mal hat der Campingplatz geöffnet und wir haben die freie Auswahl auf der großzügigen, wenig besuchten Wiese.

Wir haben Glück, denn das Wetter ist in den nächsten Tagen schön und wir packen unseren Tagesrucksack für die Tour zum Refugio Vittorio Emanuel II  auf  2735m. Der Aufstieg ist steil und anstrengend doch sehr lohnenswert. Wir entdecken die Flora mit weißem Alpenmohn, kriechendem Fingerkraut, dem Frühlingsenzian und vielen Alpenkuhschellen …Ein Garten voller Blüten und Farben, kaum zu fassen in dieser Höhe auf dem kargen Gestein.

Im Refugio angekommen trauen wir unseren Augen kaum. Dort tummeln sich Massen von Menschen eng aneinandergedrängt und die meisten ohne Mundschutz. Vielleicht denken sie sich, wer diesen Aufstieg bis hierher packt kann kein Corona haben. Doch uns ist der Abstand lieber und wir versuchen am nahe liegenden Gletschersee einen ruhigen Platz zum Vespern zu finden. Auch der Abstieg findet auf demselben Weg statt, da der Rundweg alpinistische Ausrüstung erfordert. Einige junge Männer sind auch mit ihren Skiern auf dem Rücken nach oben gewandert um den Gletscher auf den Brettern zu genießen.

Wir planen noch eine weitere Wanderung in die Richtung des Col del Grand Collet auf 2832m. Dieses Mal kommen wir weiter, es liegt weniger Schnee auf den Wegen und die Schneebrücken sind gut zu überwinden. Auch einen Bartgeier, die Steinböcke und Gämsen dürfen wir entdecken und beobachten. Doch irgendwann, nach 21/2 Stunden Aufstieg geht es wieder nicht weiter. Vielleicht würde es uns mit Schneeschuhen gelingen, doch diese besitzen wir nicht. Trotzdem hat sich der Aufstieg gelohnt und wir stellen fest, dass wir die Alpen im Gran Paradiso jedem weiterempfehlen können.